28.10.2015: 2. Stellungnahme des Bürgervereins Duisburg-Huckingen e.V. zum Bebauungsplan Nr. 1234 – Huckingen – „Am alten Angerbach“

Offener Brief an:
den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg
die Fraktionsvorsitzenden im Rat der Stadt Duisburg
die Mitglieder im Rat der Stadt Duisburg
den Bezirksbürgermeister Duisburg-Süd
die Mitglieder der Bezirksvertretung Süd
die Mitglieder im Ausschuss für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Verkehr
WAZ/NRZ, Rheinische Post

2. Stellungnahme des Bürgervereins Duisburg-Huckingen e.V. zum Bebauungsplan Nr. 1234 – Huckingen – „Am alten Angerbach“

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit unserem Offenen Brief vom 8. Juni 2015 haben wir uns vor der gemeinsamen öffentlichen Sondersitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Verkehr und der Bezirksvertretung Süd am 11. Juni 2015 klar gegen eine Bebauung der o.g. Fläche ausgesprochen. In der Sitzung haben Sie entgegen unserer Empfehlung beschlossen, dass für den Bereich südlich der Hermann-Spillecke-Straße und der Bebauung an der Antweilerstraße, östlich der Stadtbahntrasse und nordwestlich des Alten Angerbachs ein Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) aufzustellen ist. An demselben Tag führten OB Sören Link (SPD) und Planungsdezernent Carsten Tum ein Pressegespräch, aus dem der Grund für die großflächige Bebauungsplanung sehr gut ersichtlich ist:

Großflächige Neubebauung soll auf Kosten des Duisburger Südens zusätzliche Einnahmen in die Stadtkasse spülen

„Von dieser [Düsseldorfer] Anziehungskraft kann Duisburg nach Einschätzung der Stadtspitze profitie-ren, zumal die Grundstückspreise in der Landeshauptstadt manchen Bauherren ans Rechnen bringen dürften. ‚Wir wollen von dem Kuchen profitieren‘, sagte Link unumwunden.“ (Rheinische Post vom 12. Juni 2015)

Noch deutlicher wurde Manfred Helten (CDU) drei Monate später: „Wir müssen den Süden weiter entwickeln, um die Kraft für die Lösung der Probleme im Norden der Stadt zu haben.“ (Rheinische Post vom 17. September 2015)

Im Kern geht es Ihnen also um zusätzliche Einnahmen, die Sie im Duisburger Süden erzielen wollen. Diese Einnahmen sollen sich zum einen aus dem einmaligen Verkauf städtischer Grundstücke (der Bereich „Am alten Angerbach“ gehört vollständig der Stadt Duisburg) ergeben, zum anderen aus der erwarteten Ansiedlung von solventen Eigenheimbesitzern. Daraus erhoffen Sie sich dauerhaft zusätzliche
Steuereinnahmen für die Stadtkasse. Diese finanziellen Ziele vor Augen wird von Ihnen wissentlich in Kauf genommen, dass dadurch mehrere große intakte und unbelastete Grünflächen im Duisburger Süden verloren gehen, trotz generell sinkender Einwohnerzahlen und den bekannten massiven Umweltproblemen in großen Teilen von Duisburg.

Hohes Tempo in der Umsetzung statt Diskussion mit den Bürgern

Aufgeschreckt durch den verkündeten Widerstand der Bürger und das daraus resultierende Medienecho haben Sie und die Verwaltung die ruhige Sommerpause genutzt, um in aller Stille die Bebauung mit Tempo weiter voranzutreiben. So wurde die Fläche inzwischen mit Hilfe mehrere Suchschnitte sondiert, am 20. August 2015 ein Umlegungsverfahren beschlossen und die Fläche auch auf Kampfmittel
aus dem 2. Weltkrieg untersucht, was zum Bombenfund und der Entschärfung am 18. September führte. Ein zwischenzeitlich angekündigter Bürger-Workshop zur Gestaltung des Neubaugebiets wurde Mitte September von Ihnen kurzfristig wieder abgesagt.

Alle diese Aktivitäten machen deutlich, dass Sie und die Verwaltung gewillt sind, die Bebauung der Fläche „Am Alten Angerbach“ gegen den Willen der Bürger durchzusetzen. Ein offener Dialog mit den Bürgern wird vermieden. Sie und die Verwaltung verweisen stattdessen auf die im Bebauungsplan-Verfahren vorgeschriebene Bürgerbeteiligung, was rechtlich sicherlich korrekt, aber keinesfalls ausreichend im Sinne eines proaktiven, offenen Dialogs zwischen Bürgern und Politik ist. Dabei ist bisher weder der von Ihnen fast gebetsmühlenartig vorgetragene „große Bedarf nach mehr Bauland“, noch Ihre Grundannahme, dass die Neubaugebiete dauerhaft zu zusätzlichen Einnahmen für die Stadtkasse führen, tatsächlich nachgewiesen. Wir fordern deshalb von Ihnen und der Verwaltung folgende drei Punkte:

Professionelles Gutachten als Grundlage für Auslegung der Neubaugebiete erforderlich

1) Ein professionelles externes Gutachten zur Entwicklung des Duisburger Südens, d.h. zur mittel- bis langfristigen Bevölkerungsentwicklung und dem daraus resultierenden Bedarf nach Neubaugebieten im Duisburger Süden. Hierbei sind auch die Prognosen und Überlegungen der Stadt Düsseldorf zur Entwicklung des Düsseldorfer Nordens zu berücksichtigen.

Nur durch ein solches professionelles Gutachten lässt sich die öffentliche Diskussion über den angeblich hohen Bedarf auf eine solide quantitative, nachprüfbare Grundlage stellen. Ein politisch gewollter vager Glaube an einen „großen Bedarf“ allein darf nicht dazu führen, dass riesige Freiflächen für eine Neubebauung ausgeschrieben werden. Die Aussage „Wenn es keinen Bedarf gibt, wird ja nicht gebaut“ ist hanebüchen. Wenn nämlich nur kurzfristig bestehende Bedarfe als Rechtfertigung für eine dauerhafte Inanspruchnahme und Versiegelung der letzten großen Freifläche Huckingens herangezogen werden, dann folgen als Resultat mittel- bis langfristige Leerstände und Verfall in der bereits bestehenden Bebauung. Aber selbst hinsichtlich des heute bestehenden Bedarfs haben wir große Zweifel. Von der vor über einem Jahr mit außerordentlich hohem Aufwand beworbenen „Weißen Siedlung“ in Huckingen ist bis heute lediglich ein Grundstück verkauft und bebaut worden. Parallel zu diesem völlig unzureichenden Vermarktungserfolg ist die Stadt Duisburg offensichtlich auf Kosten der Steuerzahler mit hohem Kostenaufwand für die bereits umgesetzten Infrastrukturmaßnahmen in diesem Gebiet in Vorlage getreten.

Professionelles Gutachten zu erhofften Mehreinnahmen erforderlich

2) Ein professionelles externes Gutachten zur Prüfung der Aussage, dass die Ansiedlung in den neuen Wohngebieten dauerhaft zusätzliche Einnahmen in die Stadtkasse spülen werde. Hierzu bedarf es einer ganzheitlichen Analyse, die neben den Einmalerlösen durch Verkauf der Grundstücke und den regelmäßigen zusätzlichen Steuereinnahmen auch die Kostenseite vollumfänglich betrachtet. Zu den zu betrachtenden Kosten gehören nicht nur der Ausbau und die Pflege der unmittelbar notwendigen Infrastruktur (z.B. Straßen, Kanalisation, Versorgungsleitungen), sondern auch die indirekt betroffenen Infrastrukturleistungen wie Spielplätze, Kindergärten, Schulen etc. Denn nur wenn auch diese Leistungen in ausreichender Form erbracht werden, können die erhofften solventen Eigenheimbesit-zer dauerhaft an den Ort gebunden werden. Aus unserer Sicht besteht hier die große Gefahr, dass Sie die Einnahmenseite sehr gut im Blick haben, die Ausgabenseite dagegen grob vernachlässigen bzw. kleinsparen, so dass das resultierende „Preis-Leistungsverhältnis“ für die Bürger und möglichen Neubürger auf Dauer nicht mehr stimmt.

Ergebnisoffener Dialog mit den Bürgern erforderlich

3) Basierend auf den zwei geforderten externen Gutachten eine faktenbasierte, transparente, d.h. in der Öffentlichkeit geführte, ergebnisoffene Diskussion zwischen Politik, Verwaltung und den Bürgern des Duisburger Südens. Ohne diese Diskussion würde ohne harte Fakten, allein aufgrund vager Glaubensbekenntnisse und über die Köpfe der betroffenen Bürger hinweg entschieden. Das wäre nicht nur fatal für die immer wieder zitierte neue politische Kultur Duisburgs, sondern auch ein weithin sichtbares, negatives Signal an alle solventen, zukünftigen Eigenheimbesitzer, die Sie gerne nach Duisburg locken würden.

In jedem Fall werden wir unsere Mitglieder und die Bevölkerung im Duisburger Süden auffordern, sehr genau zu verfolgen, wie Sie in dieser Sache verfahren, und diese Beobachtungen in die eigene politische Meinungsbildung für die kommenden Kommunalwahlen einfließen zu lassen.

Hochachtungsvoll
Bürgerverein Duisburg-Huckingen e.V.

gez. Rolf Peters               gez. Harald Haarmann
1. Vorsitzender                2. Vorsitzender

(390 KB)

Zeitungsbericht:

Gabriele Beautemps: Bürgerverein will Idylle am Angerbach erhalten, in: WAZ, 3.11.2015

 
 

Schreibe einen Kommentar